Anhaltende Unsicherheit, Datenschutz, Konnektivität und Engpässe...
Rückblick
Der Ripple-Effekt – eine Kettenrekation
Nach den Turbulenzen, die durch die COVID-19-Pandemie – die die Fertigungsindustrie erschütterte und viele ihrer Schwachstellen aufdeckte – im Jahr 2020 verursacht wurden, war 2021 nicht das Jahr, auf das viele gehofft hatten. Obwohl die mit Spannung erwartete umfangreiche Einführung von Impfstoffen in Europa und Nordamerika zu einer Lockerung der Beschränkungen und einem Wiederaufschwung der Produktionstätigkeit führte, wurde der Optimismus durch die Besorgnis über fortbestehende Risiken, weitere Störfälle und deren mögliche Auswirkungen gedämpft.
Im Laufe des Jahres 2021 kam es zu Unterbrechungen, die zu einer echten Krise in der Lieferkette führten. Angefangen bei Produktknappheit, Kostendruck und steigender Inflation bis hin zu einem Anstieg der Rohstoffpreise als Folge daraus. Die Hersteller waren gezwungen, ihre Beschaffungsstrategien zu überprüfen und ihre Lagerbestände zu erhöhen, um zu verhindern, dass sich ähnliche Engpässe wiederholen. Hinzu kamen Risiken durch neue COVID-Varianten, Cyberangriffe, Umweltprobleme, höhere Steuersätze, steigende Energiepreise, Personalmangel und natürlich die Bemühungen, die während der Pandemie erlittenen Verluste wieder aufzuholen.
Angesichts der Geschwindigkeit, der Tiefe und des Ausmaßes der Pandemie mussten sich die Hersteller schnell anpassen und neue Wege finden, um zu überleben. Aus all dem ergab sich ein gegensätzlicher positiver Aspekt: Ein “plötzlicher Wandel” war möglich, und die “alten Betriebsweisen” waren nicht mehr haltbar. Eine der größten betrieblichen Veränderungen war die Umstellung auf die Arbeit von zu Hause aus, die eine erhöhte Anfälligkeit der Systeme mit sich brachte. Die Unternehmen mussten die Cybersicherheit häufiger aktualisieren und erhöhen, um mit den Bedrohungen Schritt zu halten. Die Verlagerung von Geschäftsprozessen in eine “virtuelle” Umgebung hat aber auch neue Möglichkeiten eröffnet: In der Cloud konnten die Hersteller mehr ihrer Anwendungen und Systeme miteinander verbinden, Daten funktionsübergreifend verknüpfen und so betriebliche Silos beseitigen.
Ein Blick in die Zukunft
Wie wird also das Jahr 2022 für die Fertigungsindustrie aussehen?
Vorhersage 1: 65 % der Fertigungsunternehmen werden zu einer einzigen Instanz wechseln
Software und Anwendungen werden in rasantem Tempo weiterentwickelt und verbessert – mit der Geschwindigkeit des Wandels steigt auch die Bedrohung durch bösartige Angriffe. Unternehmen müssen ihre Sicherheitsvorkehrungen ständig pflegen und aktualisieren. Natürlich wollen die Hersteller die neuesten Funktionen und Verbesserungen nutzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Aber bei so vielen Softwareplattformen, die am Betrieb des Unternehmens beteiligt sind, ist dies komplex, arbeitsintensiv und kostspielig – was es schwierig macht, einen “Best-of-Breed”-Ansatz für Geschäftssysteme zu verfolgen. Hersteller sollten sich nach Anbietern und Partnern umsehen, die eine Lösung für alle ihre Geschäftsprozesse an einem Ort anbieten können, wobei Sicherheitsupdates und Innovationen in das Kernprodukt integriert sind. Benutzer in einer Datenbank zu haben, vereinfacht die Kontrolle von Berechtigungen und Zugriff. Die verbesserte Systemsicherheit ist einer der Hauptvorteile des Cloud-Computing.
Vorhersage 2: 40 % der Fertigungsunternehmen werden eine Verbindung zu Produktionsmaschinen und kritischen Systemen herstellen
Hersteller wissen, dass ihre Produktionsmaschinen und -systeme riesige Datenmengen erzeugen. Doch die Schaffung einer “einzigen Quelle der Wahrheit”, auf die sie zugreifen, die sie interpretieren und auf deren Grundlage sie fundierte Geschäftsentscheidungen treffen können, bleibt eine große Herausforderung. Die Zusammenarbeit mit Lösungsanbietern, die dabei helfen können, die unterschiedlichen Systeme miteinander zu verbinden, wird entscheidend sein. Im nächsten Jahr werden immer mehr Hersteller Fertigungsmaschinen und vernetzte Werkzeuge in ihre Geschäftssysteme einbinden, so dass sie in der Lage sind, die Daten innerhalb ihrer Business Software zu analysieren. Dadurch erhalten Teile des Unternehmens Zugang zu Maschinendaten, die sie vorher nicht sehen konnten. Der Anstieg der Roboterbestellungen um 67 % im zweiten Quartal 2021 ist ein Hinweis darauf, dass die Konnektivität von Produktionsmaschinen ganz oben auf der Agenda der Hersteller steht.
Vorhersage 3: 50 % der Fertigungsunternehmen werden sich von "just in time" abwenden, um agil zu bleiben
Die Lieferkette wurde hart getroffen und Hersteller, die auf kritische Rohstoffe aus einer Hand angewiesen sind, waren gezwungen, ihre Geschäftsmodelle anzupassen, um diese Rückschläge zu bewältigen und im Geschäft zu bleiben. Wenn sie nach dem Just-in-Time-Prinzip (JIT) arbeiten, müssen sie eine Pufferung der Bestände kritischer Komponenten in Betracht ziehen, um Lieferschwankungen auszugleichen. Dies muss sorgfältig geschehen, da sich die Größe des Puffers mit der Prognose und der Nachfrage bewegen muss, um die Auswirkungen auf den Cashflow bei knappen Margen zu minimieren. Die Verwendung von Sicherheitsbeständen und die Planung von Meldebeständen sind heute nicht mehr flexibel genug, so dass die Hersteller fortschrittlichere Berechnungen auf der Grundlage der prognostizierten Nachfrage und der nachgewiesenen Kapazitäten benötigen. Die Hersteller müssen ihre Lieferketten unter die Lupe nehmen, um sie mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln widerstandsfähiger zu machen.
Vorhersage 4: 80 % der Hersteller werden ihre Abhängigkeit vom Langstrecken-Containerverkehr verringern
Das einst schnelle, effiziente, zuverlässige und billige Schifffahrtsnetz (das 90 % des Welthandels, davon 70 % in Containern, abwickelt) geriet 2021 ins Wanken. Dies führte zu einer „Container-Katastrophe“, die die Frachtraten auf ein Rekordhoch trieb und einige Exporteure dazu veranlasste, die Preise zu erhöhen oder Sendungen ganz zu streichen. Im Jahr 2022 werden sich die Hersteller um eine größere Vielfalt und Flexibilität bei den Zuliefererpartnerschaften bemühen sowie darum, wo und – vielleicht noch wichtiger – wie sie Materialien, Waren und Dienstleistungen beziehen. So werden beispielsweise neue Cluster für die nationale und regionale Produktion eingerichtet, auch bekannt als “Proximity Sourcing”, ein Ansatz, für den der Bekleidungshändler Zara bekannt ist. In der Lebensmittel- und Getränkeindustrie werden sich die Hersteller auf den Aufbau engerer Beziehungen zu mehr lokalen Lieferanten konzentrieren, und diejenigen, die auf frische Lebensmittel spezialisiert sind, bei denen die Haltbarkeit besonders kurz ist, werden in die vertikale Landwirtschaft in kleinem Maßstab investieren. Technologie und Automatisierung werden ebenfalls eine große Rolle spielen. In einigen Fällen wird die additive Fertigung dazu beitragen, die Unabhängigkeit von China und damit vom Langstrecken-Containerverkehr zu gewinnen. Während der Pandemie hat die additive Fertigung bereits begonnen, einige Lücken in der globalen Lieferkette zu schließen, wie Industry Week berichtet. Die Leichtigkeit, mit der 3D-Drucker von der Herstellung einer Komponente oder eines Produkts auf die Herstellung eines völlig anderen Produkts umschalten können, macht es den Herstellern leicht, zumindest einen Teil ihrer Engpässe in der Lieferkette zu beseitigen. Aber die Hardware- und Materialinnovation hat die Softwareentwicklung überholt, so dass die Software aufholen muss, wenn sie für ein breiteres Spektrum von Herstellern attraktiv sein soll. Im Wesentlichen werden wir eine Verlagerung hin zur Verkürzung der Lieferketten erleben.
Vorhersage 5: 60 % der Hersteller werden die Verringerung des CO2-Fußabdrucks im Rahmen ihrer allgemeinen Nachhaltigkeitsbemühungen priorisieren und ihre Reporting-Möglichkeiten beschleunigen
2022 wird das Jahr der Dekarbonisierung sein und Nachhaltigkeit wird eine neue Dringlichkeit erhalten. Der Druck durch gesetzliche Bestimmungen, Forderungen von Kunden, Investoren und anderen Stakeholdern haben dazu geführt, dass das Thema Nachhaltigkeit bei den Fachleuten der Wirtschaft ganz oben auf der Agenda steht und zu einem zukunftsweisenden Prinzip geworden ist. Die Regierungen und die Finanzwelt investieren in erheblichem Umfang in die Bekämpfung des Klimawandels – die Europäische Kommission beispielsweise hat sich das Ziel gesetzt, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, und übt damit rechtlich verbindlichen Druck auf die Unternehmen aus, ihren Kohlenstoff-Fußabdruck zu verringern.
Um diese Anforderungen zu erfüllen, sind entsprechende Daten von entscheidender Bedeutung. Was bedeutet das? Die Hersteller benötigen Zugang zu genaueren, detaillierteren und zeitnahen Daten, die nicht nur die Emissionen auf Unternehmensebene, sondern auch granulare Emissionen im Zusammenhang mit Herstellungsprozessen, dem Transport von Rohstoffen und Produkten sowie der Nutzung und Entsorgung von Produkten am Ende ihrer Lebensdauer berücksichtigen.
Die Möglichkeit, über granulare Daten Bericht zu erstatten, wird in Zukunft Teil der Geschäftstätigkeit sein, und die Technologie wird bei der Erfassung, Katalogisierung und gemeinsamen Nutzung dieser Daten über die gesamte Wertschöpfungskette eine Schlüsselrolle spielen. Einige Hersteller nutzen bereits heute Technologien wie IoT, Big Data und KI, aber die Technologien entwickeln sich mit enormer Geschwindigkeit weiter, und wir können davon ausgehen, dass das Potenzial zur Lösung von Nachhaltigkeitsproblemen in Zukunft noch zunehmen wird.
Eines ist sicher: Nachhaltigkeit erfordert Messbarkeit, und zwar sowohl auf der vor- als auch auf der nachgelagerten Ebene, und die Hersteller müssen Technologien strategisch einsetzen, um nicht nur eine durchgängige Datentransparenz zu schaffen, sondern auch bei Bedarf darüber zu berichten.
Vorhersage 6: 70 % der Hersteller werden die Kontrolle über ihre Prognosen, aufbauend auf den Daten für 2020 und 2021, zurückgewinnen und ihre Widerstandsfähigkeit erhöhen
Einige Hersteller sind der Meinung, dass die Daten für 2020 und 2021 zu verzerrt sind, um im Jahr 2022 von großem Nutzen zu sein. Wenn sie in diesem Zeitraum Schwierigkeiten hatten, könnten sie in Erwägung ziehen, die Daten zu ignorieren und zu argumentieren, dass sie einfach zu “zufällig” waren, um sie zu berücksichtigen. Im umgekehrten Fall, wenn die Aufträge in die Höhe schossen (wie in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie), könnten sie sich dafür entscheiden, die ungewöhnlichen Datenmuster zu ignorieren, um keine allzu optimistischen und damit unzuverlässigen Prognosen für die kommenden 18 bis 24 Monate zu erstellen. Beide Vorgehensweisen wären ein Fehler. Frühere Unterbrechungen der Versorgungskette, wie die Überschwemmungen in Thailand 2011, waren viel lokaler, dauerten relativ kurz und wirkten sich hauptsächlich auf das Angebot und nicht auf die Nachfrage aus. COVID-19 hingegen war ein wirklich globales Ereignis, das sich sowohl auf die Nachfrage als auch auf das Angebot auswirkte. Die Hersteller haben immer noch die Möglichkeit, aus den Erfahrungen der letzten zwei Jahre zu lernen – die Pandemie ist noch lange nicht vorbei, und das nächste Störungsereignis könnte genauso unvorhersehbar und plötzlich eintreten.
Aus diesem Grund, und um das Beste aus Ihren Daten für 2020/21 zu lernen, sollten Sie als Hersteller folgendes tun:
- Unterscheiden Sie zwischen saisonalen und externen Ereignissen, einschließlich der einmaligen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie. Die Bereinigung historischer Daten ist zwar notwendig, um die Vorhersagegenauigkeit zu verbessern, aber stellen Sie sicher, dass Sie Daten im Zusammenhang mit der Pandemie aufbewahren, da sie sich in Zukunft als hilfreich erweisen werden, wenn eine ähnliche Störung Ihre Lieferkette trifft.
- Wenden Sie Kontext, Was-wäre-wenn-Szenarien, Analysen vergleichbarer Ereignisse und Simulationen an, um die wahrscheinlichen Auswirkungen eines potenziellen Ereignisses auf den Umsatz und die Gesamtleistung des Unternehmens sowie auf die gesamte Lieferkette zu quantifizieren.
- Konzentrieren Sie sich auf die geschäftlichen Auswirkungen (über Regionen, Kanäle und Kundenprofile hinweg) und nicht auf das Ereignis selbst.
- Nutzen Sie machine learning, um die Vorhersagegenauigkeit zu verbessern, menschliche Fehler zu minimieren und irrelevante Daten von vornherein außer Acht zu lassen.
Zusammenfassend...
…kann man es nicht anders sagen: Die Hersteller von heute sehen sich immer noch mit Störungen von allen Seiten konfrontiert. Dennoch besteht Optimismus. Die digitale Transformation und die Datenkonsolidierung in der Fertigung werden sich weiter beschleunigen, aber Technologieinvestitionen werden nicht nur als Instrumente zur Krisenbewältigung dienen. Sie werden eine entscheidende Rolle dabei spielen, Unternehmen dabei zu helfen, widerstandsfähig zu bleiben, agiler zu werden, schnell auf Marktkräfte zu reagieren und neue Chancen zu ergreifen.
Zuerst veröffentlicht durch IFS.